Aus der Einsatzzentrale: wenn wir überall sein müssen

Leider passieren polizeilich relevante Vorfälle nicht immer schön der Reihe nach. Deshalb muss beim genaueren Triagieren der eingehenden Notrufe manchmal abgewogen werden, wohin die Kollegen auf der Strasse als erstes geschickt werden.

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Letzte Woche haben wir den Einstieg in die Triage gemacht, also in die Beurteilung der gemeldeten Vorfälle, die wir in der Einsatzzentrale vornehmen. Dort setzen wir jetzt wieder ein, mit einem neuen Beispiel:

Herr T. ruft an: Er meldet via Notruf, dass er in eine Auffahrkollision verwickelt ist. Verletzt ist glücklicherweise niemand, der andere Autofahrer und er werden sich allerdings nicht einig, wer den Unfall zu verantworten hat. Aus diesem Grund wird am Schermenweg in Bern die Hilfe der Polizei benötigt.

Sie erinnern sich an die wichtigen Fragen zu Beginn des letzten Beitrags:

  • Was ist passiert? Ein Verkehrsunfall, keine verletzte Personen.
  • Wo ist es passiert? Am Schermenweg in Bern.
  • Ist die Polizei zuständig, bedingt der Vorfall einen sofortigen Einsatz der Polizei? Ja, denn das Ereignis ist aktuell und die Unfallaufnahme ist in diesem Fall eine Aufgabe der Polizei.

Nach der initialen Triage komme ich also zum Resultat, dass es sich effektiv um ein Ereignis handelt, das einen Einsatz auslöst. Nun sind wir schon sehr nahe am Moment, in dem ich das Polycom-Funkgerät benütze, um die örtlich nächste Patrouille zum Ereignis zu schicken. Doch Halt – ein Kollege von mir hat aber ebenfalls einen Fall, welcher einen Polizeieinsatz nötig macht:

Just zur gleichen Zeit hat nämlich Frau I. gemeldet, dass in der Berner Marktgasse eine Schlägerei im Gange ist. Nach Aussage der Anruferin sind mehrere Personen involviert. Sie kennen das Prozedere nun bereits:

  • Was ist passiert? Eine Schlägerei zwischen mehreren Personen.
  • Wo ist es passiert? In der Marktgasse in Bern.
  • Ist die Polizei zuständig? Bedingt dies einen sofortigen Einsatz der Polizei? Ja, denn das Ereignis ist aktuell und die Abwendung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit sowie die Anhaltung der Täterschaft ist Aufgabe der Polizei.

Und schon geht die Triage weiter.

Abwägen und entscheiden im Interesse der öffentlichen Sicherheit

Wie beurteilen Sie die beiden Ereignisse? Welches bekommt die höhere Priorität? Für mich als Einsatzdisponent ist es klar – und ich nehme in diesem Fall an, auch für Sie als Leserin oder Leser: Die Schlägerei ist hier dringender als die Auffahrkollision, bei welcher «lediglich» ein Blechschaden entstanden ist. Ich als Einsatzdisponent werde nun auch entscheiden, anlässlich einer Schlägerei zwischen mehreren Personen nicht nur zwei Kollegen vor Ort zu schicken. Zudem sind weitere Kolleginnen und Kolleginnen bereits mit anderen Einsätzen beschäftigt.

Ich bin überzeugt, dass Sie zum gleichen Schluss gekommen sind wie ich. Es bleibt allerdings die Frage: Wie würden Sie reagieren, wenn Sie Herr T. wären, der am Unfallort auf die Polizei wartet? Sie wüssten nichts von dem anderen Ereignis und es ist nur menschlich, dass das eigene Problem für einen selber immer das dringendste ist.

Aus Erfahrung kann ich Ihnen sagen, dass Herr T. höchstwahrscheinlich nach 10 Minuten wieder anrufen und erzürnt nachfragen wird, wo denn jetzt die Polizei bleibe, er warte bereits seit 30 Minuten auf eine Patrouille. Und natürlich verstehen wir seinen Unmut und versuchen unser Bestes, ihm die Situation zu erklären. Aber Ihnen will ich es verraten: Wir erlauben uns auch, ihn darauf aufmerksam zu machen, dass sein Anruf nicht vor 30, sondern erst vor 10 Minuten eingegangen ist. In manchen Situationen bleibt uns einfach nichts anderes übrig, als um Verständnis und Geduld zu bitten.

Wann wird eigentlich mit Blaulicht und Sirene gefahren – und wann nicht?

Und wo wir gerade über Wartezeiten sprechen: Tatsächlich rechtfertigt nicht jeder Vorfall eine dringliche Dienstfahrt, das heisst einen Einsatz von Blaulicht und Sirene. In der Schweiz sind diese Fahrten sehr restriktiv geregelt.

Die im Beispiel erwähnte Situation der Auffahrkollision von Herrn T. bedingt keine dringliche Dienstfahrt. Auch das kann je nach Einsatzdichte unsererseits und der aktuellen Verkehrssituation die Wartezeit ebenfalls noch etwas verlängern. Falls sich die nächste freie Patrouille gerade am anderen Ende der Stadt Bern befindet, wirkt sich das auf die Anfahrtszeit der Kollegen aus.

Im vierten Teil meines Berichts werde ich darüber schreiben, wie Sie für jeden Notfall den richtigen Notruf wählen – und was der Unterschied zwischen einem eingehenden Anruf und einem Notruf ist.

Weiter erschienen in der Serie «Rund um die Einsatzzentralen»:
Teil I: Regionale Einsatzzentralen: Viel mehr als nur eine Telefonstimme
Teil II: Wie ein Notfall in der Regionalen Einsatzzentrale bearbeitet wird
Teil IV: Wann Sie den Notruf wählen sollten – und welchen

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