Im Visier einer Stalkerin – Einblicke und Handlungsmöglichkeiten aus polizeilicher Sicht

Nach einem aufschlussreichen Gespräch mit einem von Stalking Betroffenen nahm ich die Gelegenheit wahr, mich mit einem Experten der Kriminalabteilung der Kantonspolizei Bern auszutauschen. Die Erkenntnisse aus diesem Gespräch mit meinem Kollegen beleuchten die verschiedenen Facetten von Stalking und die Herausforderungen, denen sich insbesondere Betroffene, aber auch Behörden stellen müssen.

© Bild generiert mit ChatGPT

Im ersten Teil dieser Blogserie erzählte ein Stalking-Opfer seine Geschichte – ein eindrückliches Beispiel dafür, wie belastend eine solche Situation sein kann. Doch warum fällt es vielen Betroffenen so schwer, sich frühzeitig zu wehren? «Es ist doch erstaunlich, wie viele Menschen entscheiden, dieses permanente belästigende und teils auch bedrohliche Verhalten über längere Zeit hinzunehmen», erklärt mir mein Kollege. Das Problem liege unter anderem darin, dass Stalking viele Facetten habe. Wichtig sei, zu erkennen, dass es sich um Stalking handle. «Das Geschehen muss beim Namen genannt werden. Solange Stalking nicht als solches erkannt wird, ist effektives Handeln schwierig.»

Stalking wird dann als solches definiert, wenn eine Person wiederholt und aufdringlich einer anderen Person nachstellt, sie belästigt oder verfolgt, sodass diese Angst hat und sich bedroht fühlt. «Wenn Betroffene aufgrund der Angst und der wiederholten Belästigung ihren gewohnten Tagesablauf ändern müssen, handelt es sich um Stalking.»

Jede Person könne betroffen sein, unterstreicht er. «Besonders häufig sind Fälle, bei denen die stalkende Person die Beendigung einer Beziehung nicht akzeptiert. Aber auch Bekannte, Arbeitskolleginnen und -kollegen oder sogar vollkommen Fremde können Stalkerinnen und Stalker sein», betont er. Bei seinen Fällen stelle er häufig einige wiederkehrende Merkmale von Stalkerinnen und Stalkern fest: Persönlichkeits- oder psychotische Störungen, Verletzungen des Egos, Angst vor Ehrverlust, gestörtes Selbstwertgefühl, Mangel an Empathie oder schwierige familiäre Hintergründe wie eine fehlende oder problematische Elternfigur. Stalkerinnen und Stalker belästigen ihre Opfer auf verschiedene Weise: Sie verbreiten wahnhafte Ideen und verleumderische Inhalte über ihre Opfer in den sozialen Medien, nähern sich unerwünscht an, hinterlassen Geschenke in Briefkästen und schreiben Briefe oder begehen Sachbeschädigungen wie das Zerstechen von Reifen und kleinere Brandstiftungen. «Querulanten oder Staatsverweigerer, die beharrlich und hartnäckig Mitarbeitende von Behörden belästigen und verängstigen, hinterlassen bei den Betroffenen ebenfalls das bedrohliche Gefühl des Stalkings. Auch wenn es sich hierbei um ein eigenes Phänomen handelt, hat ein solches Verhalten durchaus Stalking-Charakter.»

Stalking überwinden

Stalking hat erhebliche Auswirkungen auf die emotionale, psychische und physische Gesundheit der Opfer. Daher ist es wichtig, Stalking ernst zu nehmen und rechtzeitig Unterstützung zu suchen. Es gibt diverse Unterstützungsmöglichkeiten, z.B. Fachstellen, eine Rechtsvertretung oder die Polizei. «Idealerweise holt man sich von all diesen Stellen möglichst viele Informationen ein, um eine geeignete Lösung zu finden.» Gemäss meinem Kollegen sei das gemeinsame Ziel all dieser Stellen, Betroffene zu ermutigen und zu stärken. «Wir wollen den Betroffenen ermöglichen, ihr eigenes Leben wieder selbstbestimmt zu gestalten.» Gemeinsam mit den Betroffenen bespreche die Polizei die rechtlichen Fragen und mögliche Herangehensweisen. Auch werde das Gefährdungspotenzial beurteilt. «Ich empfehle auch, psychologische Hilfe in Betracht zu ziehen, um mit den Auswirkungen des Stalkings auf die eigene Psyche umgehen zu können.» Wichtig sei ihm vor allem, dass Betroffene nicht zögerten, Hilfe in Anspruch zu nehmen und sich gegen das Unrecht zur Wehr zu setzen.

Werden Sie gestalkt?

Folgende Vorgehensweisen empfehlen wir:

  • Wählen Sie in einer Notsituation die Notrufnummer 112 (gilt für ganz Europa) bzw. 117.
  • Lassen Sie sich von einer Fachstelle beraten, z.B. von den Fachstellen Stalking und Häusliche Gewalt der Stadt Bern oder der Opferhilfe Bern.
  • Brechen Sie den Kontakt zur belästigenden Person komplett ab und vermeiden Sie jeglichen weiteren Kontakt. Informieren Sie Ihr gesamtes Umfeld über die Situation, damit auch dieses nicht mit der Täterschaft in Kontakt tritt.
  • Nehmen Sie keine Geschenke an und verweigern Sie die Annahme nicht selbst bestellter Ware.
  • Regelungen wie Scheidungs- oder Sorgerechtsangelegenheiten sollten nur über Mittlerpersonen erfolgen.
  • Bewahren Sie alle Nachrichten, E-Mails, Fotos und andere Beweise auf. Dokumentieren Sie alle Stalking-Handlungen sorgfältig und systematisch.
  • Erstatten Sie Anzeige bei der Polizei. Für Stalking gibt es aktuell in der Schweiz zwar keinen speziellen Straftatbestand, trotzdem können einzelne Handlungen wie z.B. Beschimpfung (StGB Art. 177), Drohung (StGB Art. 180), Verleumdung (StGB Art. 174), Nötigung (StGB Art. 181) oder Pornografie (StGB Art. 197) strafrechtlich verfolgt werden.
  • Suchen Sie rechtlichen Rat, um die notwendigen Schritte zu verstehen und um fachliche Unterstützung während des gesamten Vorgehens bzw. Prozesses zu erhalten.
  • Schützen Sie sich auch digital und behalten Sie die Kontrolle über Ihre Geräte und Accounts. Nachfolgende Checklisten helfen Ihnen dabei:
  • Ziehen Sie professionelle Hilfe in Betracht, um mit den emotionalen und psychologischen Auswirkungen des Stalkings umzugehen.

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