Facettenreiche Ausbildung für die Polizeiarbeit im Gebirge

An mehreren Tagen im Jahr gibt es saisonale Ausbildungssequenzen für die Gebirgsspezialistinnen und Gebirgsspezialisten der Kantonspolizei Bern. Heute gebe ich Ihnen einen Einblick in diese etwas andere polizeiliche Ausbildung.

© Kantonspolizei Bern / Police cantonale bernoise

So facettenreich die Geografie unseres Kantonsgebiets ist, so zahlreich sind mittlerweile auch die Sportarten, die hier ausgeübt werden können. Die sportlichen Aktivitäten entwickeln sich stetig weiter und fordern auch die Polizei, zum Beispiel bei Unfallaufnahmen in unwegsamem Gelände.

Ein Teil dieser Unfälle wird in der Regel von uns Gebirgsspezialistinnen und -spezialisten bearbeitet. Verschiedene Stellen und Dienste der Kantonspolizei unterstützen uns dabei. So kann es durchaus vorkommen, dass sich mein Arbeitsplatz vom Bürotisch kurzerhand ins alpine Gelände verlagert, fernab vom soliden Handy-Empfang. Damit wir vorbereitet sind auf die Besonderheiten, welche die Polizeiarbeit am Berg mit sich bringt, absolvieren wir verschiedene Ausbildungseinheiten.

Die Ausbildung den Verhältnissen anpassen

Unsere Ausbildungen finden in der Regel im Gelände statt. Deshalb sind wir auch aus Sicherheitsgründen auf das richtige Wetter und passende Verhältnisse angewiesen. Unsere Ausbildungsverantwortlichen brauchen also ein gewisses Mass an Flexibilität und Einfallsreichtum.

Für eine seriöse Lawinenausbildung benötigt man zum Beispiel eine gewisse Menge Schnee, beim Canyoning die richtige Wasserabflussmenge des gewählten Bachs und eine Hochtour bedingt gutes und stabiles Wetter. Es kommt vor, dass ich wegen schlechter Wetterverhältnisse anstelle einer geplanten Skitour mit einer Orientierungsübung im steilen Waldgelände konfrontiert werde. Oder wir werden in Materialkenntnis weitergebildet anstatt der geplanten Ausbildung im Mehrseillängen-Klettern.

Vorbereitet und geleitet werden die Kurse durch Mitarbeitende der Kantonspolizei Bern, welche patentierte und erfahrene Bergführer sind und im täglichen Dienst die Fachstelle der Gebirgsspezialisten leiten.

Frostige Temperaturen beim Eisklettern

Diesen Winter bin ich an einem schönen Januartag in den Genuss einer Ausbildung im Eisklettern gekommen. Ein kühler Wind sorgte dafür, dass sich die ohnehin frostigen Temperaturen auf der Engstligenalp noch deutlich kälter anfühlten. Das anfängliche Frieren wurde beim Klettern im Eis jedoch schnell von der Anstrengung und schliesslich gar von einzelnen Schweissperlen verdrängt.

Eines der Themen an diesem Tag: objektive Gefahren erkennen und diese auch beurteilen können. Diese Fähigkeit ist insbesondere vor dem Einstieg an einem Eisfall relevant. Der Ausbildner sensibilisierte uns darauf, im Gelände den Fokus zu öffnen, um auch die nicht offensichtlichen Gefahren zu erkennen und entsprechende Massnahmen zu ergreifen.

Kurze theoretische Ausbildungsblöcke wechselten sich mit selbstständigem Klettern ab. Dankend nahm ich aber auch gerne technische Klettertipps entgegen. Bei einer warmen Tasse Kaffee haben wir am Abend den Tag besprochen und letzte Fragen geklärt. Unser Wissen können wir nun im Ernstfall optimal abrufen.

Lawinengefahr beurteilen und erkennen

Auch im vergangenen Winter herrschte in der Schweiz über mehrere Tage eine sehr angespannte Lawinensituation, in der es leider wieder zu tragischen Unfällen gekommen ist. Deshalb muss eine Gebirgsspezialistin bzw. ein Gebirgsspezialist unbedingt ein gewisses Grundverständnis für die Lawinensituation haben. Wir werden immer wieder in diesem Thema geschult, zum Beispiel anlässlich einer Anwendungs-Skitour. Die Ausbildung beginnt in diesem Fall bereits am Vorabend der Tour, nämlich mit dem Studium des Lawinenbulletins und der selbstständigen Tourenplanung.

Während der Tour erstellen wir dann gemeinsam Schneeprofile und interpretieren diese mithilfe der Ausbildner. In Bezug auf die Lawinengefahr beurteilen wir unterwegs regelmässig Einzelhänge oder diskutieren die situationsbedingt bestmögliche Spuranlage. Nach unzähligen vergossenen Schweisstropfen und mit viel neuem Wissen durfte ich zusammen mit meinen Arbeitskollegen bei schönstem Winterwetter auf der Bütlasse das imposante Bergpanorama bestaunen.

Mehr als nur Ausbildung

Es sind auch solche Momente, die uns als Team stärken und zusammenschweissen. Zudem handelt es sich um wertvolle Erlebnisse, die nebst einem gewissen Mass an Verständnis auch Energie für die herausfordernden und oft traurigen Einsätze geben können. Denn vielfach sind wir mit tragischen Unfällen konfrontiert, bei denen Menschen mitten aus dem Leben gerissen werden und fassungslose Angehörige nach Antworten suchen.

Unser Ziel ist es, solche Unfälle möglichst detailliert untersuchen, klären und dokumentieren zu können. Deshalb eignen wir uns auch in Zukunft immer wieder mit gezielten Ausbildungen das nötige Wissen an.

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3 Kommentare

  1. Hans Baltisberger

    Besten Dank Herr Trachsel für den interessanten Einblick in Ihre Arbeit.

  2. Florian

    Danke vielmals für den interessanten Artikel!
    Wie wird man Gebirgsspezialist der Polizei?
    Gibt es dafür irgendwelche Voraussetzungen oder Ausbildungen die man haben muss?
    Ich würde mich über eine Antwort freuen!
    Florian

    • Jakob Trachsel

      Guten Tag
      Vielen Dank für Ihre Fragen. Gebirgsspezialisten haben die Polizeischule absolviert und sind im Anschluss mindestens zwei Jahre als Uniformpolizist/in tätig. Danach können sie sich intern als Gebirgsspezialist/in bewerben. Dabei gilt es einen Eintrittstest zu bestehen. Interessierte Personen sollten bereits über entsprechende Vorkenntnisse verfügen und selbst aktive/r Berggänger/in sein. Eine Ausbildung als Bergführer/in ist jedoch nicht erforderlich.
      Freundliche Grüsse
      Jakob Trachsel

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