Polizist – Wenn sich der Beruf immer weiter öffnet

Der Beruf des Polizisten zog mich an, weil ich mir vorstellte, er sei äusserst vielseitig. Nun bin ich seit sieben Jahren Polizist. Etwas anderes kann ich mir im Moment gar nicht vorstellen. Oder doch?

Christian Raggenbass, Mobile Polizei Seeland

Nach meiner Schulzeit im Gymnasium mit einigen Neben- und Ferienjobs wurde mir bewusst, dass ich kein «Bürogummi» werden wollte. Ich brauche Abwechslung. Doch welcher Beruf ist abwechslungsreich, spannend und findet nicht nur im Büro statt? Spontan kam mir der Beruf «Polizist» in den Sinn.

Ich informierte und bewarb mich schlussendlich mit 20 Jahren bei der Kantonspolizei Bern. Mit gerade 21 Jahren (Mindestalter, um die Ausbildung starten zu können) trat ich in die Polizeischule ein. Nun arbeite ich bereits seit sieben Jahren bei der Kantonspolizei Bern. Eben absolvierte ich ein Stage bei der Medienstelle.

Nach der Schule ist vor der Schule

Während der Ausbildung an der Interkantonalen Polizeischule Hitzkirch (IPH) erlernte ich alles Wichtige für die Aufgabe bei der Polizei. Während dieser Zeit habe ich auch Praktika bei den Polizeiwachen Bern Ostring und Belp sowie bei der Mobilen Polizei Mittelland-Emmental-Oberaargau absolviert. Es war eine Art Schnuppern im wahren Polizeialltag. An der IPH trainierten wir ausserdem alle erdenklichen Situationen – wir wurden «auf den Sprung in die Aussenwelt» vorbereitet. Doch kann man sich wirklich auf diesen Job vorbereiten?

«Jein»: Die Ausbildung war gut und doch kam ich mir damals vor, als ob ich ins kalte Wasser gefallen wäre. Sofort wurde mir klar, nach der Schule ist vor der Schule. Doch warum empfand ich das so? Die Antwort ist grundsätzlich einfach zu geben: Jeder Fall ist unterschiedlich und jede Person, mit der ich zu tun habe, ist anders als die anderen. Auf die Strukturen der Berufswelt kann man ansatzweise vorbereitet werden, auf die Eigenheiten der einzelnen Einsätze und insbesondere die unterschiedlichen Menschen beziehungsweise deren Reaktionen jedoch nur bedingt.

Die Arbeit prägt die Persönlichkeit

Nach einem Jahr an der IPH wurde ich bei der Mobilen Polizei Seeland in Biel stationiert. In meinen ersten Ausrückdiensten ging es mir wie im Praktikum: Alles war neu und nach jedem Dienst war ich – sicher auch durch die vielen Eindrücke – müde und erschöpft. Während meinen ersten Jahren wurde ich immer wieder mit neuen Situationen und Schicksalen konfrontiert. Der Umgang damit war nicht immer einfach, brachte mich schlussendlich aber in meiner Persönlichkeit und in meiner Sicht auf die Welt weiter.

Es wurde mir nie langweilig, auch nicht nach einigen Jahren; die Einsätze waren schlicht nicht miteinander vergleichbar. Ich rückte in meiner Dienstzeit zu unzähligen Unfällen aus und einige blieben in der Erinnerung haften, so wie dieser: Ich war mit einem Kollegen der Stationierten Polizei Aarberg im Bezirk Seeland West unterwegs, als wir die Meldung erhielten, dass ein Unfall geschehen sei. Wir begaben uns umgehend vor Ort. Uns erwartete ein Trümmerfeld – mein erster schwerer Verkehrsunfall. Viele Abläufe und Massnahmen kannte ich und doch fühlte ich mich im ersten Augenblick überfordert. Dies obwohl ein erfahrener Kollege, weitere Patrouillen und der Unfalltechnische Dienst der Kantonspolizei Bern vor Ort waren. Alles nahm seinen korrekten Lauf und ich bekam immer mehr Informationen. Das Bild des Unfallhergangs setzte sich wie ein Puzzle zusammen. Schlussendlich war es ein Unfall, wie es viele gibt; und doch war es intensiv. Denn es waren mehrere Personen in diesen Unfall verwickelt. Jeder Fall bedeutet Schicksalsschläge, die ich aufgrund meines Berufs miterlebe; hier waren es gleich mehrere.

Beruf und Berufung?

Während eines anderen Ausrückdienstes wurde eine Streiterei zwischen einem Mann und seiner Frau gemeldet; die Frau «zerstöre» die ganze Wohnung, so die Meldung. Wir rückten aus. In der Wohnung trafen wir auf einen aufgelösten Mann und eine Frau, welche wie von Sinnen war. Wir konnten nicht mit ihr sprechen. Sie lief wild in der Wohnung umher. Die Kinder schienen verängstigt, die Mutter so zu sehen. Gleich aufgefallen war mir auch das Baby, das beim Vater war. Das ebenfalls ausgerückte Ambulanzteam sprach von einer Schwangerschaftsdepression. Die Frau wurde mit ins Spital genommen und dort betreut. Diese Situation hinterliess bei mir einen bleibenden Eindruck. Die Frau war nicht mehr sie selbst und das aus einem für mich damals unverständlichen oder zumindest mir nicht bekannten Grund.

Schlussendlich können wir nicht alles beeinflussen. Mir wurde aber spätestens in diesem Moment klar, dass unsere Gesellschaft für jede erdenkliche Situation eine Lösung bereithalten muss. Bei diesem Einsatz waren wir als ausrückende Patrouille für die Sicherheit im Fall der Fälle verantwortlich, die Hauptaufgabe oblag dem Ambulanzteam. Dank der unkomplizierten Zusammenarbeit, die ich in meiner Dienstzeit immer wieder erlebe, konnten wir die Situation gut bewältigen. Rückblickend waren es Schicksale wie diese, die mich in meiner Persönlichkeit immer wieder prägten bzw. weiterbrachten. Alle diese Einsätze bestätigen mir, dass ich nicht nur den richtigen Beruf gewählt, sondern meine Berufung gefunden habe.

Blick über den Tellerrand

Auch nach mehreren Jahren fühle ich mich immer noch wohl bei der Mobilen Polizei Seeland. Ein Blick über den Tellerrand schadet jedoch nie und deshalb bewarb ich mich jüngst auf ein Pilotprojekt, bei dem Polizistinnen und Polizisten den Fachbereich Medien bei der Bewirtschaftung der Social-Media-Kanäle unterstützen. Mit unseren Bildern und Erfahrungen aus dem Alltag soll die Bevölkerung noch mehr Einblick in die Polizeiarbeit erhalten. Um die Herausforderungen einer öffentlichen Kommunikation kennenzulernen – unsere Arbeit findet ja meist im Direktkontakt statt – absolvierte ich unter anderem auch einen zweimonatigen Stage bei der Medienstelle.

Als Polizist sieht man oft nur die Medienmitteilungen. Die Arbeit, die hier aber geleistet wird, wird von aussen nur minimal wahrgenommen. Jeden Tag erreichen die Medienstelle diverse Anfragen von Journalisten von Radio, Fernsehen, Printmedien und Onlineplattformen. Die Fragen werden dann durch die Mediensprecherinnen und Mediensprecher mit Fachspezialisten oder uns Kolleginnen und Kollegen, welche am Ereignisort waren, abgeklärt. Wie viel Einsatz hier geleistet wird, um transparent und unter Berücksichtigung des Berufs-/Amtsgeheimnisses sowie des Datenschutzes Auskunft zu geben, konnte ich mir vorher nicht vorstellen. Obwohl wir auch draussen den Persönlichkeits- und Datenschutz wahren – in diesem Ausmass und dieser Finesse war es für mich etwas Neues. Schon wieder.

Viele Möglichkeiten

Wie vielseitig die Kantonspolizei Bern ist, zeigt bereits ein Blick in meine Dienstgruppe. Seit einiger Zeit hat eine Teamkollegin einen Schutzhund. Zu Beginn war er klein und süss, unterdessen ist er grösser geworden und lernt, was sein Auftrag in unserem Team ist – ähnlich wie «Gajus», welchen Sie ja in einigen Blogbeiträgen kennenlernen durften. Ein anderer Kollege aus meiner Dienstgruppe hat die Schulung zum Drohnenpilot absolviert. Er wird nun auf Anfrage eine Drohne im Einsatz bedienen können, also unter Umständen vermisste Personen suchen oder Übersichtsaufnahmen von Unfällen sowie grösseren Ereignissen erstellen. Dies sind nur zwei Beispiele für Nebenfunktionen oder Nebenaufgaben, die wir – je nach Interesse und Eignung – im uniformierten Schichtdienst übernehmen können. Dazu kommen natürlich viele interne Aufgaben, die den Dienstbetrieb auf einer Wache oder in einem Stützpunkt optimieren und den reibungslosen Ablauf schlussendlich möglich machen.

Stages sind übrigens bei praktisch jeder Abteilung möglich – sei es zum Beispiel bei einer unserer regionalen Einsatzzentralen, dem kriminaltechnischen Dienst, der Abteilung Schwerverkehr oder bei der Prävention. Als Polizist oder Polizistin hat man so immer wieder die Möglichkeit, auch andere Bereiche der Kantonspolizei Bern näher kennenzulernen und einen tieferen Einblick in deren Arbeit zu erhalten. Uns Polizistinnen und Polizisten hilft dies dabei, die verschiedenen Ereignisse noch besser bewältigen zu können. Schliesslich dienen die Stages aber auch dem ganzen Betrieb – sie unterstützen die Vernetzung der einzelnen Dienste und helfen, die Abläufe besser zu verstehen.

Kann ich mir etwas anderes vorstellen? Nein. Ich möchte weiterhin meinen Beruf als Polizist ausüben und dies im breiten Einsatzgebiet der Kantonspolizei Bern.

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6 Kommentare

  1. Theo Hostettler

    Danke Christian für deinen spannenden Bericht! Es ist schön von dir zu lesen, wie überzeugt und zufrieden du mit deiner Arbeit bei der Kapo Bern bist. Deine Schilderungen haben mir persönlich einmal mehr vor Augen geführt, was für einen spannenden und interessanten Job wir ausüben dürfen 🙂

  2. René

    Hey Christian – Dein Bericht hat mich motiviert! Vielleicht werde ich auch Polizist.

    • Christian Raggenbass

      Guten Tag

      Das freut mich! Der Beruf des Polizisten ist sehr interessant. Nachdem man etwas Berufserfahrung gesammelt hat, kann man sich in einer der über 120 Fachrichtungen weiterbilden oder eine Führungslaufbahn ergreifen.
      Auf unserer Website sind alle Informationen zum Beruf erläutert; dort finden sich auch die Angaben «Informationsveranstaltung Polizeischule». Einfach einmal reinschauen.

      Freundliche Grüsse
      Christian Raggenbass

  3. Stefan Wüthrich

    Sehr geehrter Herr Raggenbass
    Ich persönlich finde den Beruf des Polizisten sehr Gefärlich , im gegensatz zu Früher , oft werden Polizisten Beschimpft , Angespuckt , mit Gegenständen Beworfen , und mit Waffen Bedroht .
    Früher hatte mann noch Respekt vor der Polizei , doch Heute Leider nicht mehr , Heute muss ein Polizist Nerven wie Dratseile haben , Sozial gut Eingestellt sein , und in jeder lage Gesunden Menschenverstand walten lassen .
    Um Situationen immer Obyektiv Einschätzen zu können , und dabei , immer noch Mensch zu bleiben , wahrlich kein Einfacher Beruf , und ich Bewundere jeden Polizisten , der Täglich sich neuen Gefahren Aussetzt , ich finde die Polizei sehr gut , sind immer Freundlich und Hilfsbereit .
    Von mir ein Herzliches Dankeschön an jeden Polizisten und Polizistin , und auch an Eure Treuen Fellnasen die Euch in Eurem Schweren Beruf Tatkräftig Unterstützen , um die Schweiz ein wenig Sicherer zu machen , vielen Dank Euch allen !

  4. Fabrice

    Guten Tag Herr Raggenbass

    Bevor ich meine Fragen stelle, wollte ich Ihnen danken, für den Dienst, den Sie leisten!

    Ich bin 16 Jahre alt und absolviere zurzeit mein erstes Jahr an einer Wirtschaftsmittelschule. Mein Plan ist es, nach der Schule, die RS als Militärpolizist zu machen und danach die Polizeischule zu absolvieren. Ich möchte also unbedingt Polizist werden!

    Meine zwei Fragen an Sie wären:

    1. Wie lange zuvor haben Sie sich für die Aufnahmeprüfungen vorbereitet, bzw. wie schwer empfanden Sie es, zum Polizeiberuf zu gelangen?

    2. Hat man als Polizist aufgrund des Schichtdienst noch ausreichend Zeit für/mit seiner Partnerin bzw. Familie? Oder machen einem die Arbeitszeiten da manchmal einen Strich durch die Rechnung?

    Ich würde mich über Ihre Antwort sehr freuen und danke Ihnen dafür.

    Freundliche Grüsse

    • Christian Raggenbass

      Guten Tag

      Danke für Ihr Lob – ich leiste den Dienst für die Bevölkerung gerne.

      Zu Ihrer ersten Frage: Ich habe mich ein paar Monate im Voraus auf die Aufnahmeprüfung für die Polizeischule vorbereitet. Um fit zu sein, habe ich u.a. in den vorgegebenen Sporteinheiten trainiert. Im Französisch hatte ich insofern den Vorteil, da ich im Gymnasium bereits einen sehr guten Level erreicht habe. Betreffend Allgemeinwissen habe ich aktuelle Themen und einige Ereignisse der Schweizer Geschichte unter die Lupe genommen. Da ich gerne Motorrad fahre, habe ich mir die Schweizer Geografie, auch in Bezug auf zukünftige Touren, genauer angeschaut. Die Aufnahmeprüfung schlussendlich empfand ich zwar als fordernd aber machbar; klar rückwirkend kann man das immer sagen.

      Betreffend Ihrer zweiten Frage: Den Job als Polizist betrachte ich persönlich als Berufung. Entsprechend muss man auch bereit sein, sein Leben auf den Berufsalltag abzustimmen. Der Schichtdienst ist anstrengend und kann einem, wenn man beispielsweise in der Freizeit fixe Trainingszeiten hat, einen Strich durch die Rechnung machen. Wir haben in dem Sinn ja keine geregelten Arbeitszeiten. Der Schichtdienst birgt aber auch viele Vorteile – Ich habe frei, wenn andere arbeiten und kann so ungehindert meinen Hobbys nachgehen. Zeit für die Familie bzw. für die Partnerin oder den Partner bleibt auch. Wir haben ja auch freie Wochenenden.

      Ich habe meine Berufswahl bis heute nie bereut und empfehle Ihnen den Beruf des Polizisten, mit all seinen Facetten wärmstens.

      Ihr Christian Raggenbass

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