Richtiges Verhalten als Zeuge eines Unfalls
Plötzlich passiert es: Direkt neben Ihnen ereignet sich ein Verkehrsunfall – und Sie sind Zeuge. Wie verhalten Sie sich? Wir erklären, was rechtlich korrekt ist, wie Sie Grenzen nicht überschreiten und wie Sie die Polizei bei ihrer Arbeit unterstützen können.

Stellen wir uns ein klassisches Szenario vor. Sie fahren mit Ihrem Auto zur Arbeit. Auf der Autobahn herrscht dichter Verkehr. Auf dem Überholstreifen fahren Sie hinter einem anderen Auto her. Plötzlich will dieses Fahrzeug auf den rechten Fahrstreifen wechseln. Die Fahrerin oder der Fahrer übersieht dabei jedoch ein Auto, das sich bereits dort befindet. Es kommt zu einer seitlichen Kollision, beide Fahrzeuge kommen ins Schleudern. Ein Auto kommt sogar erst auf dem Dach liegend auf dem Pannenstreifen zum Stillstand. Ihr Puls steigt rasant an. Sie hatten genug Zeit, um abzubremsen und nicht in den Unfall verwickelt zu werden. Sie sind somit nicht direkt am Unfall beteiligt, aber was tun Sie nun?
Sicherheit geht vor
In diesem Fall geht es in erster Linie darum, sich selbst nicht in Gefahr zu bringen, wie Markus Haldemann, Chef Verkehr bei der Kantonspolizei Bern, erklärt: «Höchste Priorität hat die Sicherheit – Ihre eigene und die der anderen Verkehrsteilnehmenden». Dann gilt Folgendes: «Zuerst einmal ausserhalb des Gefahrenbereiches anhalten, Warnblinker einschalten, Warnweste anziehen und sich einen Überblick verschaffen. Danach ist die Unfallstelle abzusichern und allenfalls Nothilfe zu leisten. Anschliessend sind die Rettungsdienste zu alarmieren. Das Wichtigste ist, Ruhe zu bewahren und zuerst die eigene Sicherheit zu gewährleisten, bevor man handelt.»
Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden
Für die Polizei ist es immer wertvoll, die Ereignisse anhand der Aussagen von Personen, die den Vorfall beobachtet haben, rekonstruieren zu können. «Die neutrale Darstellung des tatsächlichen Geschehens ist wichtig. Neben all den Ermittlungsmassnahmen, die wir bei Unfällen ergreifen, können Zeugenaussagen sehr hilfreich sein, um die Umstände zu klären und vielleicht eine Person zu entlasten», sagt der Verkehrsexperte. «Wenn es nicht möglich ist, anzuhalten oder auf die Polizei zu warten, ist es auch möglich, uns nachträglich telefonisch über unsere Notrufnummer 112 oder 117 zu kontaktieren oder sich bei einer Polizeiwache zu melden», schliesst Markus Haldemann.
Was sagt das Gesetz?
Aus der Sicht der gesetzlichen Vorschriften ist es vor allem das Strassenverkehrsgesetz (SVG) und Artikel 51, der das richtige Verhalten regelt. «Die meisten Pflichten beziehen sich auf die am Unfall beteiligten Personen», beginnt Ariane Kammer, stellvertretende Leiterin der Rechtsabteilung der Kantonspolizei Bern. «Was die nicht am Unfall beteiligten Personen betrifft, so sind sie in der Regel nicht gesetzlich verpflichtet, am Unfallort zu bleiben und sich an der Feststellung des vorliegenden Sachverhalts zu beteiligen», sagt sie weiter. Es sei denn, es handle sich um besondere Fälle.
Ausnahmen bei Verletzungen
Die Tatsache, ob es bei dem Unfall Verletzte gibt oder nicht, ändert die Situation, wie Ariane Kammer erläutert. «Bei Unfällen mit Verletzten gilt die Pflicht zur Hilfeleistung auch für unbeteiligte Personen, soweit es ihnen zumutbar ist». Unter unbeteiligten Personen sind beispielsweise Zeuginnen oder Zeugen oder Personen zu verstehen, die später zum Unfallgeschehen gestossen sind. Wie kann also Hilfe geleistet werden? «Es kann darum gehen, einen Krankenwagen oder die Polizei zu rufen, Verletzte notdürftig zu versorgen, sie zu transportieren oder den Verkehr zu sichern», fügt die Juristin hinzu. Es bleibt die Frage, was man riskiert, wenn diese Vorschriften ignoriert werden.
Von Geldstrafe bis Gefängnis
Dies ist auch im SVG in Artikel 92 geregelt: «Wer die Hilfeleistung unterlässt, kann sich bei einem Unfall eines pflichtwidrigen Verhaltens schuldig machen», erklärt Ariane Kammer. Je nach Schwere des Vergehens sieht die Justiz angemessene Strafen vor. Bei Artikel 92 SVG handelt es sich um eine Übertretung, die mit Busse bestraft wird. Bei schweren Unfällen, wenn eine unmittelbare Lebensgefahr besteht, kann das Unterlassen der Hilfeleistung sogar zu einer Verurteilung wegen Unterlassung der Nothilfe führen. In diesem Zusammenhang sieht Artikel 128 des Strafgesetzbuches Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vor.
Unfälle entstehen nicht von selbst – oft gehen ihnen Verhaltensweisen voraus, die entweder ein Risiko darstellen oder zur Sicherheit im Strassenverkehr beitragen. In unserem Blogbeitrag finden Sie praktische Hinweise und Antworten auf Ihre Fragen zum richtigen Verhalten auf der Strasse.
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