Im Visier einer Stalkerin – Von einer Freundschaft zur Bedrohung: ein persönlicher Stalkingbericht

Stalking kann einen Menschen völlig aus der Bahn werfen. Es beginnt oft harmlos mit Nachrichten und Geschenken, eskaliert aber schnell zu Belästigungen und Bedrohungen. Die ständige Angst und die Verfolgung beeinflussen den Alltag und erfordern fachliche Unterstützung und rechtliche Schritte. Wie Stalking aussehen kann, erzählt uns eine betroffene Person.

© Bild generiert mit ChatGPT

Sie war ja ganz nett. Jedenfalls am Anfang. Wir lernten uns bei der Arbeit kennen und wurden Freunde. Sie lernte meine Freundin, meine Familie und meine Freunde kennen. Wir tauschten uns über unsere Interessen aus und hatten, spannenderweise, die gleichen. Dachte ich zunächst jedenfalls, bis ich mit der Zeit verstand, dass dies wohl kein Zufall war und mir mein Gegenüber nur etwas vorgaukelte. Irgendwann wurde es mir zu viel und ich brach den Kontakt ab.

Ein Jahr später begann das intensive Stalking. Sie schickte mir Fotos, unzählige sexualisierte Textnachrichten und Mails. Es lagen ständig Geschenke vor meiner Tür. Einige davon bestellte sie sogar auf Rechnung in meinem Namen. Sie wollte wieder Kontakt aufnehmen und erstellte Fake-Accounts in den sozialen Medien. Doch ich erkannte rasch, dass es sich dabei um sie handelte.

Die Eskalation

Dann drehte sich der Wind. Ihr Verhalten war nicht mehr nur lästig, es machte mir auch Angst. Sie bedrohte meine Familie, lauerte mir bei der Arbeit und in meiner Freizeit auf. Sie fuhr an meinem Haus vorbei und hielt sich auch rund um das Haus auf. Eines Tages meldete sie sich bei der Polizei und startete eine Verleumdungskampagne gegen mich. Sie beschuldigte mich, ein Straftäter zu sein. Sie verbreitete diese Geschichte auch in meinem Umfeld, verlangte etwa vom Fitnesscenter, mein Abo zu kündigen. Sie trug ihre Wut online aus und versuchte im Netz, Sympathisanten für ihre Kampagne gegen mich zu gewinnen. Als Sportschützin besass sie eine Waffe. Ich hatte Angst, fühlte mich pausenlos verfolgt und konnte nicht mehr allein zu Hause sein.

Bewältigung und neue Vorsicht

Mittlerweile hatte ich schon mehrfach gegen sie Anzeige erstattet. Sie hatte auch ein Kontaktverbot erhalten. Die Polizei sowie spezialisierte Fachstellen unterstützten mich. Trotzdem ging das Stalking zunächst weiter. Gebessert hat sich meine Situation, als sie aufgrund der zahlreichen Anzeigen eine Rechtsvertretung benötigte. Dank der kantonalen Opferhilfe konnte auch ich eine Anwältin beiziehen und musste mich nicht mehr selbst mit ihr auseinandersetzen – die Kommunikation lief nun ausschliesslich über unsere Rechtsvertretungen. Mithilfe der Polizei, der Opferhilfe und meiner Anwältin konnte ich meine Sorgen, meinen Stress und meine Angst auch etwas auslagern und musste die Situation nicht mehr allein bewältigen.

Nach mehreren Jahren Stalking geht es mir nun etwas besser. Obwohl die Situation belastend war, habe ich gelernt, mich zu behaupten und Grenzen zu setzen. Das Vertrauen in neue Bekanntschaften fällt mir schwer, aber ich bin dankbar für die Unterstützung durch mein privates Umfeld sowie Fachpersonen, die mir sowohl privat als auch fachlich geholfen haben und weiterhin an meiner Seite stehen.

Werden Sie gestalkt?

Folgende Vorgehensweisen empfehlen wir:

  • Wählen Sie in einer Notsituation die Notrufnummer 112 (gilt für ganz Europa) bzw. 117
  • Lassen Sie sich von einer Fachstelle beraten, z.B. von der Fachstelle Stalking und Häusliche Gewalt der Stadt Bern oder der Opferhilfe Bern.
  • Brechen Sie den Kontakt zur belästigenden Person komplett ab und vermeiden Sie jeglichen Kontakt. Informieren Sie die Personen Ihres gesamten Umfeldes über die Situation, damit auch diese nicht mit der Täterschaft in Kontakt treten.
  • Nehmen Sie keine Geschenke an und verweigern Sie die Annahme nicht selbst bestellter Ware.
  • Regelungen wie z.B. von Scheidungs- oder Sorgerechtsangelegenheiten sollten nur über Mittlerpersonen erfolgen.
  • Bewahren Sie alle Nachrichten, E-Mails, Fotos und andere Beweise auf. Dokumentieren Sie alle Stalking-Handlungen sorgfältig und systematisch.
  • Erstatten Sie Anzeige bei der Polizei. Für Stalking gibt es aktuell in der Schweiz zwar keinen speziellen Straftatbestand, trotzdem können einzelne Handlungen wie z.B. Beschimpfung (StGB Art. 177), Drohung (StGB Art. 180), Verleumdung (StGB Art. 174), Nötigung (StGB Art. 181) oder Pornografie (StGB Art. 197) strafrechtlich verfolgt werden.
  • Suchen Sie rechtlichen Rat, um die notwendigen Schritte zu verstehen und um fachliche Unterstützung während des gesamten Vorgehens bzw. Prozesses zu erhalten.
  • Schützen Sie sich auch digital und behalten Sie die Kontrolle über Ihre Geräte und Accounts. Nachfolgende Checklisten helfen Ihnen dabei:
  • Ziehen Sie professionelle Hilfe in Betracht, um mit den emotionalen und psychologischen Auswirkungen des Stalkings umzugehen.

* Der Name des betroffenen Mannes ist bekannt. Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nennen wir keine weiteren Daten dazu.

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