Zweisprachig unterwegs im Kanton Bern

Die Stadt Biel/Bienne ist zweisprachig und stolz darauf. So wird man auch am Schalter der Polizeiwache in Biel mit «Bonjour, Guten Tag» begrüsst, bevor das Gespräch in der jeweiligen Sprache des Besuchers fortgeführt wird. Hinter dieser charmanten Zweisprachigkeit stecken aber auch einige Tücken.

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Mein Name ist Fabien Willemin, aufgewachsen bin ich in Porrentruy/JU. Die Polizeischule habe ich 1991/92 bei der Stadtpolizei Biel/Bienne absolviert. Heute bin ich Chef des Polizeibezirks Biel/Bienne der Kantonspolizei Bern und habe die operative Verantwortung für die stationierte Polizei Biel/Bienne. Die dort arbeitenden Polizistinnen und Polizisten sind zuständig für mehr als 59’000 Einwohnerinnen und Einwohner1. Rund ein Drittel dieser Mitarbeitenden sind französischsprachig. Im Rahmen meiner Ausbildung zur höheren Fachprüfung zum Polizisten mit eidgenössischem Diplom habe ich eine Arbeit zum Thema Zweisprachigkeit verfasst. Hier einige Erkenntnisse daraus.

Die Kantonspolizei Bern hat rund 2’500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aufgeteilt in neun Abteilungen, davon vier Polizeiregionen. Eine davon ist die Region Seeland-Berner Jura. Diese Region wiederum besteht aus drei Verwaltungskreisen:

Im Verwaltungskreis Jura bernois arbeiten heute ausschliesslich französischsprachige Polizistinnen und Polizisten, im Kreis Seeland ausschliesslich deutschsprachige. Im Verwaltungskreis Biel/Bienne hingegen ist die Kantonspolizei zweisprachig deutsch/französisch aufgestellt. Die Stadt Biel alleine hat ca. 55’000 Einwohner, ca. 60% davon sind deutschsprachig2.

Was bedeutet das? Französischsprachige Kolleginnen und Kollegen werden unweigerlich mit der deutschen Sprache konfrontiert – und die deutschsprachigen Mitarbeitenden kommen ebenfalls nicht um die Begegnung mit dem Französisch herum.

Wandel in der Ausbildung

Mein erster intensiver Kontakt mit der Fremdsprache Deutsch fand in der Polizeischule statt. Zu dieser Zeit wurde die Ausbildung bei der Stadtpolizei Biel/Bienne in Französisch und Deutsch kombiniert durchgeführt. Die Konversation unter Kollegen fand in einem ständigen Wechselspiel zwischen den beiden Sprachen statt. Einfach war es nicht, neben dem Unterrichtsstoff eine Fremdsprache zu lernen – vor allem die deutschschweizer Dialekte machten mir zu schaffen. Schon bald war ich aber froh, dass ich mich gut in Deutsch unterhalten konnte.

Heute absolvieren die angehenden Polizistinnen und Polizisten ihre Ausbildung sprachgetrennt: Während dem die deutschsprachigen Aspiranten die interkantonale Polizeischule in Hitzkirch besuchen, absolvieren die französischsprechenden Aspiranten die praktisch identische Ausbildung im Ausbildungszentrum der Kantonspolizei Bern in Ittigen. Diese Trennung wurde zugunsten der Effizienz und der Qualität notwendig: Die Unterrichtsthemen sind schon anspruchsvoll genug und die Anforderungen steigen stetig an. Stellen Sie sich vor, Sie müssten Strafrecht in einer fremden Sprache büffeln – das ist gleich doppelt schwer und verlängert die Ausbildungs- und Lernzeit. Mündliche Grundkenntnisse in der jeweils anderen Sprache sind jedoch Voraussetzung zur Aufnahme in die Polizeiausbildung.

Zusätzliche Herausforderung für junge Kolleginnen und Kollegen

Wenn eine junge Polizistin oder ein junger Polizist nach der Ausbildung dem zukünftigen Dienstort zugeteilt wird, geschieht dies anhand des Bedarfs. Nicht immer wird dort «Nachwuchs» gebraucht, wo die Sprachpräferenzen liegen. So kann es sein, dass jemand in Biel/Bienne stationiert wird, der zu diesem Zeitpunkt kaum mit der zweiten Amtssprache konfrontiert wurde.

Viele junge Polizistinnen und Polizisten haben grossen Respekt vor dieser zusätzlichen Herausforderung. Sie können das sicherlich nachfühlen: Sie haben nach einer Ausbildung die erste Arbeitsstelle und dies auch noch in einem Gebiet, wo man häufig mit einer fremden Sprache konfrontiert wird. Da sind Zweifel unvermeidlich, wie beispielsweise: «Was denken die neuen Kolleginnen und Kollegen, wenn ich die zweite Sprache nicht fliessend beherrsche?», oder «Wie verhalte ich mich auf der Strasse, wenn ich die Frage oder das Problem meines Gegenübers nicht auf Anhieb verstehe?»

Diese Bedenken sind jedoch weitgehend unbegründet. Bei uns werden zwar alle neuen Mitarbeitenden ins kalte Wasser geworfen und müssen vom ersten Tag an mitarbeiten. Die Hilfsbereitschaft unter den Kolleginnen und Kollegen ist aber gross. Und selbstverständlich wird niemand ausgelacht, wenn einmal etwas falsch rauskommt. Schliesslich ging es uns allen einmal so. Am Ende ist es wie so vieles: Learning-on-the-job, die beschriebenen Bedenken sind meist nach kurzer Zeit verschwunden. Im Gegenteil: Viele sind stolz darauf, dass sie quasi «en passant» die zweite Amtssprache im Kanton Bern fundiert lernen können.

Sprachkenntnisse sind wichtig für die Polizeiarbeit

Während meiner langjährigen Erfahrung im zweisprachigen Gebiet habe ich festgestellt, dass es unabdingbar ist, sich in der täglichen Polizeiarbeit mit dem Gegenüber richtig verständigen zu können. Schliesslich basiert unser Handeln auf dem Dialog. Wenn der Dialog durch Sprachbarrieren schwierig ist, kann es zu gefährlichen Missverständnissen kommen. Oder man kann in einer Situation, die Klärung erfordert, das Gegenüber nicht mit den richtigen Worten erreichen, weil der Wortschatz dafür nicht ausreicht.

Ich kann allen jungen Kolleginnen und Kollegen in einem mehrsprachigen Umfeld nur empfehlen, in ihre Sprachkenntnisse zu investieren. Auch andernorts sind Polizisten mit Fähigkeiten in anderen Sprachen gefragt und gern gesehen.

1 Quelle:
www.twann-tüscherz.ch/de/portrait/gemeindeinzahlen/ / www.evilard.ch/fr/inhalte/gemeinde/portrait/fakten-und-zahlen.php / www.ligerz.ch/index.php/unser-dorf/zahlen-und-Fakten
/ https://www.biel-bienne.ch/de/einwohner-und-spezialdienste

2 Quelle:
https://www.biel-bienne.ch/de/einwohner-und-spezialdienste

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