Operative Fallanalyse: aus Puzzleteilen entsteht ein Gesamtbild

Beim Wort «Fallanalyse» denken viele an charismatische TV-Profiler, die sich in die Psyche von raffinierten Verbrechern hineinversetzen – oft mit unkonventionellen Methoden. Die Realität sieht aber anders aus.

© Moon / Adobe Stock

Anders als in Fernsehserien und Romanen verlassen sich unsere Fallanalytiker nicht auf ihre Intuition oder plötzliche Eingebungen am Tatort. Ihre Arbeit basiert auf einer klaren Methodik. Bei der sogenannten Operativen Fallanalyse (OFA) handelt es sich in der Realität nämlich um einen klar strukturierten, umfassenden Prozess, bei welchem die Tatrekonstruktion die Grundlage bildet.

Wir geben heute einen Einblick in dieses spannende Tätigkeitsfeld und verraten Ihnen einige Dinge, die Sie über die Operative Fallanalyse wissen sollten:

Spurenleser der anderen Art

«Ein Täter oder eine Täterin hinterlässt an einem Tatort nicht nur physische Spuren im Sinne von Fingerabdrücken oder DNA. Auch das Verhalten lässt Rückschlüsse auf die Identität zu», erklärt Hans-Peter Meister, Leiter unseres Fachbereichs Kriminalanalyse und fügt an: «Dieses Verhalten zu entschlüsseln gehört zum Handwerk eines Fallanalytikers: Wir rekonstruieren Tathergänge, bewerten und vergleichen Handlungen und erstellen, wenn möglich, ein Profil der unbekannten Täterschaft, das den polizeilichen Ermittlern dabei helfen soll, die Suche einzugrenzen.» Die Fallanalytiker/innen interessieren sich besonders für die aktiven Entscheidungen der Täterschaft, denn diese geben etwas preis. «Was eine Person tut und wie sie die Tat ausführt, gibt uns Aufschluss darüber, wer sie als Person ist», so der erfahrene Fachbereichsleiter, der selber auch als Fallanalytiker tätig ist.

Neutral und objektiv

Für eine Operative Fallanalyse wird ausschliesslich mit Fakten und Informationen über das Opfer gearbeitet. Ganz bewusst erhalten die Fallanalytiker/innen keine Angaben zu den parallel laufenden Ermittlungen oder allfälligen Tatverdächtigen. Sie müssen völlig unvoreingenommen und objektiv an einen Fall und ihre Arbeit herangehen können. «Es ist ein polizeiliches Handwerk und nicht so sehr Psychologie», sagt Hans-Peter Meister. Man versucht nicht unbedingt, wie die Täterschaft zu denken, sondern ihre Schritte und Handlungen nachzuvollziehen und somit bildlich sämtliche Puzzleteile in die richtige Position zu bringen, um den Tathergang zu rekonstruieren. In einem weiteren Beitrag zur Operativen Fallanalyse werden wir darauf noch konkreter eingehen.

Teamplayer statt Einzelgänger

Ausgebildete Fallanalytiker sind nicht nur bei der Kantonspolizei Bern, sondern auch in anderen Polizeikorps der Schweiz beschäftigt und unterstützen einander in der Regel bei einem Einsatz kantonsübergreifend. Ein OFA-Team setzt sich meist aus fünf Fallanalytiker/innen zusammen. Hinzugezogen wird generell eine Fachperson aus der Rechtsmedizin und bei Bedarf auch andere Fachspezialisten.

Kriminalistisches Werkzeug und interner Dienstleister

Die Operative Fallanalyse kann den ermittelnden Polizistinnen und Polizisten Hinweise oder Ermittlungsansätze liefern; als kriminalistisches Werkzeug ermöglicht sie ein vertieftes Fallverständnis. Die Einschätzung der Fallanalytiker/innen ist nicht durch die eigentlichen Ermittlungen beeinflusst. Der zuständige Ermittler oder die Ermittlerin erhält so eine umfassende, neutrale Sicht auf das Tatgeschehen. So kann eine Analyse der Ermittlung neue Ansätze liefern, die eigene Auffassung bestätigen oder ihnen die Gewissheit geben, alle internen Möglichkeiten ausgeschöpft zu haben. Hans-Peter Meister fasst zusammen: «Die Operative Fallanalyse ist ein interner Dienstleister, auf den die polizeilichen Ermittler/innen bei Bedarf zurückgreifen können.»

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